T.N.T SMITH – Jenseits von Deutungsmustern
und Alltagstheorien
(Ein standardisiertes und doch nicht standardisiertes Interview
mit Ronald M. Hahn und Horst Pukallus)
Wann entstand die Idee, gemeinsam eine Roman-Serie zu verfassen? Was war der Anlass hierfür?
Ronald: Der Anlass war kein guter: Der britische Autor Kenneth Bulmer, der unter dem Pseudonym Alan Burt Akers die Fantasy-Serie Dray Prescot schrieb, erlitt einen schweren Schlaganfall und konnte nicht mehr arbeiten. Wolfgang Jeschke, sein deutscher Lektor, hielt Ausschau nach einer unterhaltsamen und aktionsreichen Ersatzserie. Ich meinte, mir würde schon was einfallen und bekam Grünes Licht für ein Exposé.
War von Beginn an klar, dass ihr beide die Autoren sein würden? Oder kam einer mit der Idee ums Eck und klopfte unverzagt beim anderen an?
Ronald: Da ich kein Interesse an Fantasy-Literatur hatte und auch in Sachen Naturwissenschaften immer eine Lusche (mit Brillanten) war, wollte ich eine SF-Serie machen, die in der Vergangenheit spielt. Ich wusste von Horst Pukallus, zu dem ich seit meiner Kindheit ein äußerst freundschaftliches Verhältnis pflege, dass er geschichtlich und waffentechnisch viel mehr aufm Kasten hatte als ich, wobei Letzteres eher komisch war, da er den Kriegsdienst verweigert hatte. Ich hab ihn also angemorst und ihm Güldene Berge und großen Reichtum versprochen, wenn er bei dem Projekt mitmacht. Das hat ihn natürlich verlockt, und so hockten wir bald darauf in meinem grässlich verpafften Büro, schlappten diverse Fläschkes leer und schrieben ein Exposé von der Länge eines Perry Rotten-Heftes.
Horst: Bei aller Schrecklichkeit des Krieges ist das Militär immer auch eine komische Sache. Eine Sache der Situationskomik. Es machen dort viele der Dümmsten mit. Da werden Aktionen geplant, von denen der Menschenverstand sagt, dass sie schief gehen müssen, oder Projekte verfolgt, die rein technisch aussichtslos oder sehr lebensgefährlich sind. Und alles kostet Menschenleben. Auf gewisse Weise ganz unglaublicher Mords-Slapstick. Das hat mich stets fasziniert. Inzwischen gibt es darüber eigene Literatur. Ich habe also die spaßige Möglichkeit erkannt, im Rahmen der Serie ganz viel Satirisches zu schreiben. Tragikomische Satire.
War T.N.T. SMITH euer erstes gemeinsames Roman-Projekt?
Ronald: Nein, kurz davor hatten wir zusammen den Lovecraft-Roman Alptraumland geschrieben, der in einem Winz-Verlag erschien. Die Auflage betrug nur wenige hundert Exemplare.
Horst: Dann kam noch Wo keine Sonne scheint dazu, um den es ja etwas Rummel gab. Einen Sturm im Wasserglas. Offenbar kapieren manche Leute nach wie vor nicht, dass jemand, der über Nazis schreibt, nicht zwangsläufig mit ihnen sympathisiert.
Wie kann ich mir als Leser die Entwicklung einer solchen Serie vorstellen? Existiert eine Art ‚Serien-Bibel‘?
Ronald: In der Tat... Diese Bibel ist in unserem Exposé enthalten, das nicht nur die Handlung der ersten 12 Bände akribisch beschreibt, sondern auch sämtliche Hauptfiguren (und das waren nicht wenige) ausführlich biographiert. Damit wir in jedem Stadium wussten, wie unsere Figuren aussehen, haben wir uns die entsprechenden Typen aus alten amerikanischen Filmjahrbüchern herausgesucht und ihre Porträts fotokopiert. Das alles fand vor dem Internet statt...
Horst: Gewissermaßen in Fleiß- und Kleinarbeit. Wir mussten zahlreiche gedruckte Publikationen durchsehen, Texte und Bilder kopieren, alles aufbereiten und anpassen. Heute lässt sowas sich wohl erheblich einfacher bewältigen.
Wie haben sich die Figuren vom ersten Brainstorming bis hin zu den vollendeten Romanen entwickelt/verändert? Wurden die Charaktere realen Personen nachempfunden?
Ronald: Eine Serie wie die unsere, die auch jede Menge satirische Elemente aufweist, muss, glaube ich, um wirksam zu sein, mit Klischees spielen: Unsere Schurken sind abgrundtief schurkisch, wie man es von den Vasallen des GröFaZ halt erwartet. Unsere Unsterblichen sind, obwohl harte Burschen (Fremdenlegionäre), ambivalent gezeichnet: Da gibt es Lumpen, die schon immer Lumpen waren und es auch geblieben sind, aber auch solche, die das Schicksal zu dem gemacht hat, was sie sind oder die das Leben hat reifen lassen, sodass man sie auch als Männer von Ehre sehen kann. Unsere Helden sind eloquent und polyglott, können aber auch übelst opportunistisch agieren, wenn es drauf ankommt, den Kopf auf den Schultern zu behalten.
Horst: Sie sind also aus dem Leben gegriffen. Insofern ist die Serie nicht nur satirisch, sondern auch realistisch. Quasi realsatirisch.
Eine Serie mit diesem Background – Nazis, Zweiter Weltkrieg, Nazis, Hitler, noch mehr Nazis usw. – in Deutschland zu veröffentlichen... könnte glatt als Wagnis durchgehen. Hattet ihr mit entsprechendem Gegenwind zu kämpfen? Wie hat sich dies seit der Erstveröffentlichung verändert? Und: Würdet ihr im Jahr 2016 – bedenkt man die um sich greifende, fast schon hysterische ‚Schuld-Kultur‘ in Deutschland – dieselbe Serie entwickelt und verfasst haben?
Ronald: Dass die Serie nicht in dem Verlag erschien, wo sie eigentlich erscheinen sollte, hat uns natürlich gefrustet, denn wir hatten, wenn schon nicht mit Güldenen Bergen und Reichtum, mit hübschen Honoraren gerechnet, wie große Verlage sie zahlen können. Die Serie wurde zwar nie offiziell abgelehnt, aber wir bekamen zu hören: »Wir müssen da noch mal drüber nachdenken. Also wappnet euch mit Geduld.« Das kriegt in Hollywood natürlich jeder angehende Schauspieler zu hören, wenn er beim Vorsprechen durchgefallen ist: »Don’t call us. We call you.« Wir waren damals aber schon lange genug in der Branche tätig, um zu wissen, dass wir durchgefallen waren. Es hat uns nicht sonderlich gejuckt, denn unsere Auftragslage war okay. Die Erstveröffentlichung fand dann Jahre später im gleichen Winz-Verlag statt, der schon unseren Roman Alptraumland herausgebracht hatte. Leider war die Resonanz damals gleich Null. Keine Ahnung, wieso. Ein Problem war auch, dass der Verleger, ein netter Bursche und guter Freund, aber völlig apolitisch, nicht so richtig wusste, wie unser Zeug bewerben und vermarkten sollte. Deswegen wurde es leider gar nicht beworben. Der Verkaufserfolg war entsprechend. Die Erstauflage ging nach diversen Jahren mit Ach & Krach weg.
Horst: Wir haben das Projekt inhaltlich nicht als Wagnis empfunden und keine Bedenken wegen der Thematik gehabt, und ich habe und hätte heute keine Bedenken. Anders verhielt es sich anscheinend bei dem ursprünglich interessierten Großverlag. Regelrechten "Gegenwind" gab es allerdings nicht, nur Ausflüchte. Was Resonanz angeht, will ich zur Erklärung mal Folgendes erzählen. Ein Bekannter, den meine Werke beeindruckten, fragte mich mal: »Horst, warum wirst Du nicht berühmt?« Darauf musste ich antworten: »Weil ich kein Dichter bin, sondern 'nur' Erzähler. Ich fabuliere nicht, sondern erzähle Geschichten.« Ähnliches dürfte für Ronald gelten. Der Mainstream verachtet den Erzähler. Da liegt das Problem. Falls es eins ist. Ein persönliches Problem habe ich damit nicht.
Wie war die Resonanz auf die Erstveröffentlichung der Romane?
Ronald: Mir ist nicht eine Rezension zur gedruckten Ausgabe von T.N.T. Smith bekannt geworden.
Horst: Mir auch nicht.
Was reizt euch ausgerechnet an diesem recht speziellen historischen Rahmen?
Ronald: Uns ist aufgefallen, dass es im anglo-amerikanischen Sprachraum eine ganze Reihe von in der Vergangenheit spielenden SF-Romanen und Erzählungen gab, die sich mit dem Dritten Reich beschäftigten. Bloß bei uns gab es sowas nicht. Unsere SF-Autoren kamen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, aus dem Fandom. Diese Leute waren doch eher apolitisch und interessierten sich mehr für Sternenreiche als für das Dritte Reich auf Erden. Die anglo-amerikanischen Veröffentlichungen dieser Art hatten uns fasziniert: Die Frage, wie die Welt unserer Gegenwart wohl aussähe, wenn die Nationalsozialisten den Zweiten Weltkrieg gewonnen hätten – wie von Philip K. Dick und anderen Autoren beschrieben – führte zu zahlreichen bisher nicht ausgeloteten Möglichkeiten. Da wir beide keine Fans von Space Operas, sondern nach kurzer Heftchenlektüre bei Autoren wie George Orwell und Aldous Huxley auf „richtige“ SF gestoßen waren, sahen wir schnell, dass uns in dieser Richtung massenhaft Türen offen standen. Mir persönlich kamen historische Themen sehr entgegen, weil ich von den Naturwissenschaften gänzlich unbeleckt war und mich solche Themen auch langweilten.
Horst: Wie wir wussten, spielen einige der besten SF-Romane in der Vergangenheit. Man kann auch annehmen, dass T.N.T. Smith in einer früheren Alternativwelt spielt. Für die Handlung ist es jedoch im Grunde genommen unwesentlich, wenn man davon ausgeht - so wie ich -, dass Leute lesen, weil sie Interesse an Menschenschicksalen haben. Deshalb bin und bleibe ich ja Erzähler. Jedenfalls war die Annahme begründet, dass ein Projekt wie T.N.T. Smith für die BRD ein Novum darstellen würde. Mehr brauchten wir nicht zu wissen, um an die Arbeit zu gehen. Leider hat der Termindruck bei der Übersetzerei mich daran gehindert, zu den ersten zwölf Bänden mehr als zweieinhalb beizutragen.
T.N.T. SMITH kommt recht weit herum in der Welt... seid ihr auch eher Weltbereisende?
Ronald: Ach, ich glaube, wir bewegen uns eher im Rahmen ganz normaler Urlaubsreisender: Großbritannien, Frankreich, Holland, Belgien, Italien, Spanien, Portugal, Österreich, Bulgarien. Ich war mehrmals, auch beruflich, in den USA und Kanada.
Horst: Ich bin weniger gereist als Ronald: Ich hatte zu viele dicke Übersetzungen am Hals. In letzter Zeit bin ich allerdings häufiger in Frankreich, wo ich zwei Enkelinnen habe.
Würdet ihr T.N.T. SMITH als historische Abenteuer-Serie mit einem Hauch von SF oder eher als SF-Serie, die ein wenig an der Außenhülle des (Sub-)Genres Alternativwelt-Roman kratzt?
Ronald: Sowohl als auch.
Horst: Es ist ein einzigartiges Mischprodukt.
Bis dato sind 13 T.N.T.-SMITH-Bände angekündigt. Was erwartet den Leser im Abschluss-Roman? DER große Knall? Ein paar nette Extras?
Ronald: Band 12 beantwortet eine Menge der in den Bänden 1 bis 11 aufgetürmten Fragen, legt aber auch den Grundstein für Fortsetzungen.
Horst: Den Anfang der Fortsetzungen habe ich mit Bd. 13 gemacht. Er führt Smith und Konsorten auf völlig neues Territorium und stellt sie vor gänzlich neuartige Herausforderungen. Der Leser muss vollkommen umdenken.
Erwägt ihr weitere Bände?
Ronald: Wir schließen dies nicht aus. Oder anders ausgedrückt: Wir können es kaum erwarten, dass die Muse uns küsst und wir aus unserem behäbigen Rentnerdasein aufwachen. Zum Glück brauchen wir es nicht mehr des Geldes wegen zu tun, da wir ja beide aufgrund von Arbeit steinreich sind, wenn nicht gar vermögend.
Horst: Tatsächlich juckt es mich in den Fingern, Bd. 14 zu schreiben. Aber ich arbeite wegen überschäumender Ideenvielfalt an einem Story-Projekt nach dem anderen, und wer mich kennt, der weiß, dass ich mir Zeit lasse...
Nun geltet ihr beide als rastlose Urgesteine der deutschen Science Fiction... besteht die Hoffnung, in Zukunft wieder ein neues Gemeinschaftsprojekt aus euren Federn zu lesen?
Ronald: Ich gehe mal davon aus, dass ich außer einigen T.N.T. Smith-Bänden nichts mehr in Sachen SF schreiben werde. Abgesehen von meinen Memoiren, die irgendwann als eBook unter dem Titel Was Sie schon immer über SF-Autoren wissen wollten, aber nicht zu fragen wagten erscheinen werden. Ich vermute mal, bei Apex...
Horst: Ich bin kein Prophet, nicht einmal ein "Science-Fiction-Prophet". Aber es liegt noch ein Gemeinschaftsprojekt auf Halde. Leider stößt es wegen Überkompliziertheit auf Schwierigkeiten bei der Realisierung. Auf alle Fälle: Aufhören zu schreiben, ob mit oder ohne Co-Autor, kann ich bestimmt nicht.
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Das Interview führte Christian Dörge.